Australien by ueberreuter

Australien by ueberreuter

Autor:ueberreuter
Die sprache: deu
Format: mobi, azw3
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


18. Buschorangen und anderes Tierfutter

Als ich wach werde, blitzt bereits die Sonne durch das dichte Gewirr von Zweigen und Blättern um uns herum. Ich bin immer noch müde und eigentlich nur aufgewacht, weil eine Fliege ständig an meinem Ohr entlanggekrabbelt ist. Als ich mich aufrichten will, spüre ich eine starke Hand auf meiner Schulter, die mich sanft aber bestimmt nach unten drückt. Sie hat die ganze Zeit schon dort gelegen, aber erst jetzt bemerke ich sie.

»Nicht bewegen!«

Odette spricht leise, aber bestimmt, so wie ich sie bisher noch nie gehört habe. »Da vorn ist eine Schlange.«

Ich merke, wie ich mich verkrampfe. »Was für eine?«

»Eine Schlange eben«, brummt Odette und setzt schließlich nach: »Eine braune.«

»Eine giftige?«

»Hat sie nicht gesagt.«

Obwohl mir das Herz sofort bis zum Hals schlägt und ich mich für einen Augenblick frage, ob Schlangen nicht das ängstlich klopfende Herz eines Opfers wahrnehmen können, halte ich es nicht länger aus und drehe mich im Zeitlupentempo um.

Die Schlange arbeitet sich etwa drei Meter von uns entfernt durch das tote Gras am Rande unseres Strauchs. Ich schätze sie auf etwa anderthalb Meter, das heißt, sie bräuchte nur einen Satz nach rechts zu machen und wäre im Nu bei uns, um uns zu beißen. Sie ist hellbraun mit schwarzen Augen, und während sie sich tastend voranarbeitet, kann ich sehen, wie die kleinen Schuppen an ihrem Bauch jede Bewegung wie eine Welle im Fußballstadion weitergeben und dabei Blätter und Zweige beiseiteschieben. Schon merkwürdig, so ein Lebewesen ohne Arme und Beine. Gott sei Dank scheinen wir für sie nicht weiter von Interesse zu sein, denn sie kriecht ohne uns eines Blickes zu würdigen davon.

»Wir müssen uns bewaffnen«, verkündet Odette, als sie weg ist.

»Wie, bewaffnen?«

»Na, bewaffnen, damit wir uns schützen können. Vor Schlangen und so gefährlichem Viehzeug eben.«

»Wie willst du dich denn vor Schlangen schützen?«

Sie rollt sich auf den Rücken. »Keine Ahnung. Vielleicht können wir eine Schleuder oder so was bauen. Und dann mit Steinen auf sie schießen. Ist schon mal besser als nichts.«

Ich denke darüber nach.

»Dann kann man doch auch gleich so einen Stein nach der Schlange werfen, oder?«

»Ja, aber nicht so scharf …«

Odette unterbricht sich mitten im Satz und lauscht.

»Was ist?«

»Pst!«

Dann sehe ich ihn auch. Jemand steht vor unserem Busch. Zuerst glaube ich an eine Halluzination, merke aber schnell, dass dort tatsächlich jemand ist. Jemand, der geräuschlos aus dem Nichts aufgetaucht ist und anscheinend nicht entdeckt werden will. Als er nämlich weiterläuft, bewegt er sich so langsam und vorsichtig, als wäre er auf der Flucht oder würde jemanden verfolgen, ein Tier oder einen anderen Menschen. Von unserer Position aus können wir nicht mehr als die Beine sehen. Sie enden in ausgetretenen Turnschuhen, grünen Chucks. Jesus hat solche Schuhe getragen. Ich habe sie bemerkt, weil ich sie immer bemerke. Ich finde Chucks nämlich tothässlich. Wenn sie jemand in unserem Alter trägt, finde ich sie peinlich. Erwachsenen dagegen müsste es verboten werden, sie anzuziehen. Reglos verharren wir in unserem Versteck. Jesus bleibt noch einmal stehen, scheint sich umzusehen oder zu lauschen, und verschwindet dann endgültig aus unserem Blickfeld.



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